Zweiteile-Haus
Das Zweiteile-Haus ist aus zwei in Form und Gestalt unterschiedlichen Segmenten zusammengefügt. Das Zweiteile-Haus vereint in einem Gebäude deutsche und ortsübliche, türkische Bauformen. Die beiden Teile sind gleichwertig in ihrem Anteil an der Gesamtgestalt des Hauses und stellen deutlich sichtbar eine hybride Kombination aus deutschen und türkischen Gestaltungselementen dar. Von 116 untersuchten Rückkehrerhäusern können 35 Prozent dem Typus des Zweiteile-Hauses zugeordnet werden.
Bei den Zweiteile-Häusern wird die durch das „Obada“ und „Orada“ (Hier und Dort) geprägte Identität des Bauherren in der Konstruktion deutlich. Dort in Deutschland waren die sozialen Erfahrungen als Türke und Fremder durch Ausgrenzung geprägt. Rückgekehrt in die Türkei führen unterschiedliche Erfahrungen erneut zu einem Gefühl der Ausgegrenztheit, nun jedoch, weil man sich als der Deutsche erlebt. Colin Rowe legt nahe, „dass eine Collagenmethode, eine Methode, bei der Gegenstände aus ihrem Kontext zwangsweise herausgehoben oder gelockt werden – gegenwärtig – die einzige Art ist, sich mit den fundamentalen Problemen von Utopie und Tradition [...] auseinanderzusetzen“ (Rowe 1997, 211). Dabei spielt für ihn die Herkunft der einzelnen architektonischen Objekte, innerhalb der „sozialen Collage“ – seien sie „aristokratisch oder volkst?mlich, akademisch oder populär“ – keine große Rolle. Rowe übersieht dabei jedoch den identitätsbildenden Charakter von homonymer, selbstentworfener Architektur und die biografische Bedeutung der collagierten Elemente am Zweiteile-Haus des Bauherren. Er reflektiert mehr den Prozess aus dem Blickwinkel des Gestaltenden. Die Herkunft der collagierten Elemente spielt für das Zweiteile-Haus eine ganz wesentliche Rolle.
Während die Baumaterialien, Konstruktionsanteile wie das Dach, Bauelemente wie Garagen oder das Vorhandensein eines Kellers deutlich auf die deutschen Vorbildern rekurrieren, ist der oft sehr große Terrassenbereich, der es erlaubt, einen Teil des sozialen Lebens unter freiem Himmel zu verbringen, eher an lokalen Bautraditionen orientiert. Die Terrasse im ersten Stockwerk der Häuser oder auch die typische Dachterrasse werden den klimatischen Bedingungen in der Türkei gerecht: So darf in der Türkei eine offene Terrasse als oberstes Stockwerk genehmigungsfrei gebaut werden, wenn sie nur in Holzbauweise oder als Metallkonstruktion realisiert wird. Im Sommer schläft oft die ganze Familie auf einer solchen Terrasse, wenn es im Haus zu heiß ist. Tagsüber spielt sich im Sommer das Leben größtenteils auf der schattigen großen Terrasse im ersten Stockwerk ab. Beim Zweiteile-Haus wird daher oft die deutsche Bauform des Daches nur auf einer Seite realisiert und mit den Vorzügen eines Flachdachs als Terrasse kombiniert.
Die Gestalt des Hauses ergibt sich als Collage einzelner Elemente am Bau, die jeweils deutschen und ortsüblichen Bautraditionen folgen. Das Zweiteile-Haus kann als eine Zusammenführung beider kultureller Einflüsse interpretiert werden.